Ein Ehegatte hat zum Zwecke der Alterssicherung ein Anrecht erworben, das er dem Versorgungsausgleich entzieht, weil er das Kapitalwahlrecht ausübt. Wenn dieser Entzug nicht dadurch kompensiert werden kann, dass der andere Ehegatte über ein anderes Ausgleichssystem an dem Vermögenswert teilhat, dann kann in demselben Umfang der Ausgleich der von dem anderen Ehegatten erworbenen Anrechte beschränkt werden.
Die Ehe war geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Die Ehezeit betrug 12 Jahre. Die Ehefrau war gesetzlich versichert und hatte darüberhinaus geringfügige Anrechte aus einer Lebensversicherung und einer betrieblichen Rentenversicherung erworben. Der Ehemann hatte geringere Werte aus seiner gesetzlichen Versicherung erzielt. Zusätzlich besaß er jedoch noch ein ursprünglich ebenfalls auf Rentenzahlung gerichtetes Anrecht bei einer rückgedeckten Unterstützungskasse für Selbständige, mit einem Kapitalwert von etwa 43.000 Euro und somit einem Ausgleichswert von 21.500 Euro. Insgesamt hatte er erheblich mehr als die Frau zu verteilen. Als das Scheidungsverfahren noch anhängig war, hat der Ehemann aber für dieses Anrecht das ihm eingeräumte Kapitalwahlrecht ausgeübt, sprich, sich das Geld auszahlen lassen. Damit entzog er es dem Versorgungsausgleich.
Das Familiengericht teilte die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte jeweils intern zur Hälfte. Das Anrecht des Ehemanns bei der Unterstützungskasse jedoch hat das Gericht nicht ausgeglichen, weil der Mann sich ja das Geld auszahlen ließ und es somit nicht in den Versorgungsausgleich falle.
Dabei kam die Frau bei der Scheidung also schlechter weg, weil sie in der gesetzlichen Rente mehr Anteile hatte und entsprechend an den Mann etwas abgeben musste. Der aber hatte erheblich mehr über die Zusatzversicherung und musste nichts ausgleichen. Deshalb legte die Frau gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Sie wollte, dass auch das Anrecht aus der Unterstützungskasse ausgeglichen würde oder aber, falls das nicht ginge, dass dann der Versorgungsausgleich insgesamt ausgeschlossen werden sollte. Das ist nach dem Gesetz nur möglich, wenn es „grob unbillig“ wäre, von der Halbteilung abzuweichen. Dazu müssen die Umstände des Einzelfalls geprüft werden.
Das tat das Oberlandesgericht und kam ebenfalls zu dem Schluss, dass das Anrecht aus der Unterstützungskasse nicht mehr auf eine Rente ausgerichtet sei, weil der Mann sich das Geld hatte auszahlen lassen. In diesem Punkt blieb es also dabei – Das Geld fällt nicht in den Versorgungsausgleich, die Frau bekommt davon nichts. Im zweiten Punkt jedoch bekam sie zum großen Teil Recht. Der Mann habe seine eigene Altersversorgung dem Versorgungsausgleich entzogen, indem er das Kapitalwahlrecht ausübte. Da wäre es grob unbillig, wenn die Antragstellerin ihrerseits ihre Altersversorgung ausgleichen müsse, vor allem auch deswegen, weil der Mann auf sein Versorgungsvermögen erst während des laufenden Scheidungsverfahrens einwirkte. Das war eine „illoyale Einwirkung“ nach Auffassung des Oberlandesgerichts. Also wurde der Versorgungsausgleich zwar nicht ausgeschlossen, aber beschränkt. Die Richter rechneten das auszugleichende Anrecht der Frau gegen das dem Ausgleich entzogene Anrecht auf und kamen zu einer neuen Teilung, nach der die Frau nun deutlich weniger abgeben musste. Dagegen legte nunmehr der Ehemann Beschwerde ein.
Aber die Entscheidung des Oberlandesgerichts hatte vor dem Bundesgerichtshof Bestand. Sie entspreche dem Leitgedanken des so genannten Halbteilungsgrundsatzes, dass beide Eheleute gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen berechtigt sind. Die Leistungen, die von den Ehegatten im Rahmen der ehelichen Rollenverteilung erbracht werden, sind als grundsätzlich gleichwertig anzusehen. Der Versorgungsausgleich dient insoweit der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Altersvorsorgevermögen der Eheleute. Insofern hätte der Ehemann den Entzug der erworbenen Anrechte aus dem Versorgungsausgleich kompensieren müssen, indem er zum Beispiel einen Teil des Vermögens – wie ursprünglich vorgesehen – für die Altersvorsorge eingesetzt hätte. Weil er dies nicht tat, durfte er auch nicht ungeschmälert an den Versorgungsanrechten der Ehefrau teilhaben.
Az XII ZB 701/13, Beschluss vom 1.4.2015