Wie viel ein Unterhaltspflichtiger für die Zahlung von Elternunterhalt aufbringen kann, ist aufgrund der konkreten Umstände und unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige grundsätzlich keine spürbare und dauerhafte Senkung seines Lebensstandards hinzunehmen braucht. Die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt ist auch dann auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln, wenn der Unterhaltspflichtige über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt.
BGH: Leistungsfähigkeit bei Elternunterhalt
Der Bundesgerichtshof hatte im Fall einer Frau zu entscheiden, die gegenüber ihrem Vater unterhaltspflichtig war. Der lebte in den letzten Jahren bis zu seinem Tod im Juni 2012 in einem Pflegeheim. Er erhielt Pflegegeld nach der Pflegestufe II und ergänzende Sozialleistungen, weil er die gesamten Kosten nicht zahlen konnte. Die Tochter sollte einen Teil der Kosten tragen. Zunächst bezahlte sie auch die vereinbarte Summe von monatlich 267 Euro. Im April 2011 reduzierte sie die Unterhaltszahlung auf monatlich etwa 115 Euro. Das Sozialamt forderte sie auf, die Rückstände zu begleichen und die laufenden Kosten weiter in der vereinbarten Höhe zu zahlen. Das war vergeblich. Also machte das Sozialamt beim Familiengericht die Zahlungen geltend. Das Gericht gab dem Antrag in vollem Umfang statt.
Auf die Beschwerde der Tochter änderte das Oberlandesgericht den Beschluss geringfügig ab. Es blieb dabei, sie sollte den Rückstand von etwa 1.400 Euro nebst Zinsen zahlen, außerdem monatlich 418 Euro Elternunterhalt, wovon sie die bereits gezahlten 115 Euro abziehen durfte. Die Tochter wandte sich gegen diese Entscheidung mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Aber auch beim Bundesgerichtshof hatte sie keinen Erfolg.
Denn die Tochter könne die vom Sozialamt geleisteten Forderungen zahlen. Ihre Leistungsfähigkeit bemesse sich dabei nicht allein nach ihrem eigenen Einkommen, sondern es müsse auch ihre Teilhabe am Familieneinkommen berücksichtigt werden. Sie ist verheiratet und erzielt ein Nettoeinkommen von rund 1.785 Euro monatlich. Ihr Ehemann ist ebenfalls berufstätig und verfügt über ein Nettoeinkommen von rund 4.030 Euro. die Eheleute wohnen in einer Eigentumswohnung, die ihnen gemeinsam gehört. Ihrem Einkommen sei der angemessene anteilige Wohnwert von etwa 260 Euro hinzuzurechnen. Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs sei auch zu berücksichtigen, dass sie als geringer verdienende Ehegattin von dem höheren Einkommen ihres Ehemannes durch den ihr zustehenden Anspruch auf Familienunterhalt profitiere. Ein Abzug für notwendige Fahrkosten wurde ihr gewährt, nicht jedoch die Kreditzahlungen, die sie für einen Autokauf zu leisten hat. Es sei ihr zuzumuten gewesen, die Neuanschaffung des Fahrzeugs auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Denn beim Autokauf und der Kreditaufnahme musste sie bereits für ihren pflegebedürftigen Vater zahlen. Sie habe auch keine Gründe vorgetragen, warum sie nicht mit dem Vorgängerfahrzeug weiter hätte zurecht kommen können. Auch Kosten für die Haltung eines Reitpferdes seien bei der Ermittlung des Bedarfs nicht zu berücksichtigen. Die seien dem Bereich des Hobbys zuzuordnen. Falls die monatlich anfallenden Kosten für das Pferd vom ohnehin erhöhten Selbstbehalt nicht bezahlt werden können, müsse man fragen, ob es sich hierbei nicht um Luxusaufwendungen handele, die der Unterhaltspflichtige nicht gegenüber dem unterhaltsberechtigten Elternteil einwenden kann.
„Der so ermittelte individuelle Familienbedarf stellt sicher, dass der Elternunterhalt nur aus dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen gespeist wird“, heißt es in der Begründung des Bundesgerichtshofs. Eine verdeckte Haftung des besser verdienenden Schwiegerkindes sei damit ausgeschlossen. Dass ein unverheiratetes Kind in der Regel weniger für den Elternunterhalt aufzubringen hat als ein verheiratetes Kind, ist dadurch gerechtfertigt, dass das verheiratete Kind durch den Familienunterhalt zusätzlich abgesichert ist.