Eine Mutter, die zum Kindesunterhalt für ihren minderjährigen Sohn verpflichtet ist, widmet sich nach der Geburt eines weiteren Kindes dessen Betreuung. Für die ersten beiden Lebensjahre dieses Kindes macht sie von der Möglichkeit Gebrauch, die Bezugsdauer des Elterngeldes zu verdoppeln. Deswegen hat sie für den Kindesunterhalt des älteren Kindes keine ausreichenden Einkünfte. Das kann ihr unterhaltsrechtlich nicht vorgeworfen werden.
Michael[1] ist 11 Jahre alt und lebt seit der Trennung seiner Eltern beim Vater. Die Ehe ist inzwischen geschieden. Die Mutter ist zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Aus einer neuen, nicht ehelichen Verbindung, bekam sie 2012 ein weiteres Kind, Tochter Maria. Die Mutter entschied sich dafür, Maria zu Hause zu betreuen und beantragte Elterngeld. Weil sie das Geld für zwei Jahre bezog, wurde die monatliche Summe halbiert. Deshalb, so argumentierte die Mutter, habe sie nicht mehr genug Geld zur Verfügung, um weitere Unterhaltszahlungen an Michael zu leisten. Das Amtsgericht gab ihrem Antrag statt, sie von der Unterhaltspflicht zu entbinden. Michael, vertreten durch das Jugendamt, legte Beschwerde beim Oberlandesgericht ein, jedoch ohne Erfolg. Und auch der Bundesgerichtshof gab der Mutter Recht. Unter Berücksichtigung des Elterngeldes und des Unterhalts, der ihr von Marias Vater zusteht, mit dem sie zusammenlebt, sei sie nicht leistungsfähig.
Dass die Eltern in der neuen Familie die Rollen so verteilt haben, dass sich die Mutter um die Betreuung des Kindes kümmert, während der Vater, der nichteheliche Partner der Mutter, das Geld verdient, habe die Mutter hinreichend begründet. So habe ihr Lebensgefährte ein deutlich höheres Einkommen als sie selbst. Er sei im Außendienst tätig und müsse einen festen Kundenstamm bedienen. Außerdem enthalte sein Einkommen einen hohen Provisionsanteil. Für die Mutter sei es leichter gewesen, vorübergehend aus dem Beruf auszuscheiden, weil sie mit einem Festgehalt im Innendienst tätig sei.
Solange sie Elterngeld bezieht, ist sie auch nicht zu einer Nebenerwerbstätigkeit verpflichtet. Denn den Eltern soll ermöglicht werden, ohne finanzielle Nöte in ihre Familienleben hineinzufinden und sich vorrangig der Betreuung der Kinder widmen zu können. Es ist auch von vornherein vorgesehen gewesen, dass die Eltern die Elternzeit über den Mindestzeitraum von zwölf Monaten ausdehnen können. Von diesem Recht hat Michaels Mutter Gebrauch gemacht. Allerdings, stellen die BGH-Richter in ihrem Beschluss klar, darf sich der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht ohne weiteres auf die Betreuung des Kindes aus der aktuellen Verbindung beschränken. Denn nach dem Gesetz sind die Kinder aus den verschiedenen Verbindungen gleichrangig. Auch deswegen könne die Übernahme der Kinderbetreuung nur dann akzeptiert werden, wenn wirtschaftliche oder sonstige gewichtige Gründe, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall die Rollenwahl rechtfertigen. Ein solcher Einzelfall lag bei Michaels und Marias Mutter vor. Deswegen bleibt es dabei, solange die Mutter Elterngeld bezieht, braucht sie an Michael keinen Kindesunterhalt zu zahlen.
Az XII ZB 181/14, Beschluss vom 11.2.2015
[1] Alle Namen sind erfunden