Bei einer Erwachsenenadoption genügt es, wenn die Geschäftsfähigkeit des Annehmenden im Zeitpunkt der Antragstellung gegeben ist. Ein späterer Wegfall der Geschäftsfähigkeit ist ohne Bedeutung.
Als Ute Trinn[1] zum zweiten Mal heiratete, war ihre Tochter aus geschiedener Ehe 14 Jahre alt. Marianne ist inzwischen selbst verheiratet. Ihr Stiefvater Uwe Trinn wollte und sollte nun auf dem Wege der Erwachsenenadoption auch ihr rechtlicher Vater werden. Beide stellten den entsprechenden Antrag vor dem Notar im Januar 2014. Einen Monat später wurden alle Familienmitglieder persönlich angehört. Weil der Vater inzwischen erkrankt war, gab das Amtsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag. Es sollte klären, ob Uwe Trinn geschäftsfähig ist. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Mann wegen einer hirnorganischen Wesensänderung und einer Hirnschädigung nicht mehr geschäftsfähig ist. Zwar könne er auf Nachfrage noch Sinn und Zweck einer Adoption darlegen, jedoch blieben aufgrund seiner krankheitsbedingten geistigen Einschränkungen erhebliche Zweifel, ob er noch in der Lage ist, die rechtlichen Folgen und die sich daraus ergebenden Pflichten einer Adoption zu erfassen. Daraufhin lehnte das Amtsgericht den Ausspruch der Adoption ab. Es sei nicht ausreichend, dass Uwe Trinn, als er den Antrag beim Notar stellte, noch voll einwilligungsfähig war.
Marianne und ihre Familie gaben nicht auf und legten gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Sie hatten Erfolg: Die Volljährigenadoption kann im Einzelfall auch bei zwischenzeitlich eingetretener Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden ausgesprochen werden.
Dass der Annehmende geschäftsfähig sein muss, wird in Adoptionsverfahren mit Gesichtspunkten des Kindeswohls begründet. Das dürfte aber bei der Erwachsenenadoption keine Gültigkeit haben, da sich die Fürsorgeverhältnisse im Vergleich zur Minderjährigenadoption hier umgekehrt darstellen, der volljährige Anzunehmende über sein „Kindeswohl“ durch die Antragstellung selbst entscheidet. Die im erwachsenen Eltern-Kind Verhältnis begründete Beistandsgemeinschaft kann eine Zulassung der Adoption aber gerade dann gebieten, wenn der zunächst geschäftsfähige Annehmende die Geschäftsfähigkeit im Laufe des Adoptionsverfahrens verloren hat und er auch der rechtlich verankerten Fürsorge des
Anzunehmenden bedarf.
Materielle Voraussetzung der Adoption eines Volljährigen ist weiter, dass diese sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind Verhältnis entstanden ist.
Das Gericht hatte im vorliegenden Fall keine Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung der Adoption. Marianne hat vom 9. bis zum 19. Lebensjahr im Haushalt von Uwe Trinn gelebt. Bei der Antragstellung erklärte er im Zustand voller Geschäftsfähigkeit die Einwilligung mit der Annahme von Marianne. Auch der Sachverständige bekundete, dass Uwe Trinn ihm gegenüber weiterhin – auch nach seiner Erkrankung – den natürlichen Willen einer Adoption seiner Stieftochter geäußert hat. Bei beiden Terminen hätten sich für ihn keine Zweifel an diesem Willen ergeben. Das familiäre Verhältnis besteht nach Angaben von Ehefrau Ute und Stieftochter Marianne auch gegenwärtig fort. Soweit die sittliche Rechtfertigung der Adoption zweifelsfrei ist und eine wirksame Vertretung des geschäftsunfähig gewordenen Annehmenden im Verfahren zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gewährleistet ist, kann deshalb die Volljährigenadoption im Einzelfall auch bei zwischenzeitlich eingetretener Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden ausgesprochen werden.
Az 33 UF 1292/14, Beschluss vom 26.2.2015
[1] Alle Namen sind erfunden