OLG Frankfurt: Voraussetzung für Entscheidung im vereinfachten Sorgerechtsverfahren
Die Familiengerichte müssen das vereinfachte Sorgerechtsverfahren ohne mündliche Anhörung behutsam anwenden. Eine Entscheidung, die hierauf beruht, ist im Rahmen des vereinfachten Verfahrens auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen mit Bedacht zu erlassen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es für jede sorgerechtliche Entscheidung des Familiengerichts einer hinreichenden Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung.
Die Eltern von Klaus[1] sind nicht miteinander verheiratet. Sie haben nach der Geburt ihres Kindes keine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben, deshalb hat die Mutter das alleinige Sorgerecht. Klaus ist jetzt sechs Jahre alt. Der Vater beantragte, ihm die elterliche Sorge gemeinschaftlich zu übertragen. Er lebe mit Klaus und dessen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt. Ohne weitere Hinweise oder Belehrung übersandte das Amtsgericht der Mutter diesen Antrag. Sie hatte zwei Wochen Zeit zur Stellungnahme.
Auf zwei Seiten teilte sie in unbeholfener Sprache mit, dass sie bei dem Vater von Klaus einen Teilbereich der Wohnung gemietet habe und dessen Untermieterin sei. Es bestünden getrennte Verhältnisse. Sie schlafe im Kinderzimmer oder im Wohnzimmer auf dem Sofa. Das Kind hänge sehr an ihr. Der Vater rede nicht mit ihr. Aber sie wolle die Sache nicht auf dem Rücken des Kindes austragen, denn sein Wohlergehen sei ihr wichtiger als ihr eigenes.
Das Amtsgericht übersandte das Schreiben der Frau an den Mann und gab auch ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Dann übertrug es ihm die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam mit der Mutter.
Die wehrte sich dagegen, nahm sich einen Anwalt und legte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde ein.
Der Vater blieb bei seinem Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht und wollte darüber hinaus das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Klaus. Hilfsweise beantragte er, ihm insgesamt alleine das Sorgerecht zu übertragen. Zur Begründung wartete er mit zehn schriftlichen Stellungnahmen von Zeugen auf, die unter anderem von „Falschangaben“ der Mutter sprachen, die im übrigen „glänzend manipuliert“. Außerdem würden sie die Wohnung bald aufgeben. Es diene dem Kindeswohl am ehesten, wenn Klaus mit dem Vater umziehe. Wenn die Argumente und angebotenen Zeugenaussagen nicht ausreichten, beantrage er die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens.
Das Oberlandesgericht hob die amtsrichterliche Entscheidung auf und verwies die Sache an das Amtsgericht zurück. Denn das Gericht hätte nicht im vereinfachten Sorgerechtsverfahren ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. Die gemeinsame elterliche Sorge setzt voraus, dass zum einen eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und zum anderen ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen besteht. Eine fehlende Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit kann danach verlangen kann, von einer Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge abzusehen, damit das Kind „durch Uneinigkeit und Zwist der Eltern keinen Schaden nimmt“, so das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung. Jedenfalls mussten nach den Äußerungen der Mutter Zweifel aufkommen, ob ein Mindestmaß an Übereinstimmung bei Klaus Eltern überhaupt noch besteht. Das Amtsgericht war diesen Zweifeln nicht nachgekommen und hatte – verfahrensfehlerhaft – im vereinfachten Verfahren entschieden. Das ist jetzt nachzuholen, denn das Familiengericht muss sich einen umfassenden Eindruck von den Beteiligten verschaffen. Außerdem können durchaus noch weitere Ermittlungen notwendig sein, um eine hinreichende Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen.
Az 1 UF 356/13, Beschluss vom 20.1.2014
[1] Name erfunden