Kindesunterhalt stellt für viele Eltern eine finanzielle und emotionale Herausforderung dar. Insbesondere die Fragen nach dem Selbstbehalt und der Zumutbarkeit einer zusätzlichen Nebentätigkeit sorgen häufig für Unsicherheiten. Der Selbstbehalt dient dazu, das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen zu schützen und ihm ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 20.11.2024, XII ZB 78/24) beleuchtet diese Themen und bringt wichtige Klarheit für Unterhaltspflichtige.
In diesem Artikel erläutern wir, was die Entscheidung konkret bedeutet, welche Rechte Sie als Unterhaltspflichtiger haben und worauf Sie achten sollten.
Nebentätigkeit: Wann ist sie zumutbar?
Eine der zentralen Fragen für viele Unterhaltspflichtige lautet: Muss ich zusätzlich zu meiner regulären Arbeit eine Nebentätigkeit aufnehmen, um den Kindesunterhalt sicherzustellen? Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass eine solche Pflicht Grenzen hat.
Im vorliegenden Fall war die Unterhaltspflichtige Mutter beruflich am Anfang ihrer Laufbahn und hatte nach Abschluss einer Ausbildung eine Vollzeitstelle angetreten. Ihr Arbeitgeber hatte jedoch keine Genehmigung für eine Nebentätigkeit erteilt, was rechtlich erforderlich gewesen wäre. Der BGH entschied, dass es der Mutter nicht zuzumuten sei, ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegen den Arbeitgeber einzuleiten oder eine andere Anstellung zu suchen, die eine Nebentätigkeit erlaubt hätte.
Die Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit hängt also maßgeblich von den individuellen Umständen ab, wie beispielsweise:
- Berufserfahrung und Sprachkenntnisse,
- Bereitschaft oder Möglichkeit des Arbeitgebers, eine Nebentätigkeit zu erlauben,
- und den persönlichen Belastungen, die mit einer zusätzlichen Arbeit verbunden wären.
Das Gericht stellte außerdem klar, dass Unterhaltspflichtige nicht über Gebühr belastet werden dürfen, wenn dies ihre berufliche Entwicklung oder ihre Gesundheit gefährdet.
Selbstbehalt und Haushaltsgemeinschaft: Was bedeutet das konkret?
Der Selbstbehalt schützt Unterhaltspflichtige davor, finanziell überfordert zu werden, und stellt sicher, dass sie ein Minimum an Lebensstandard behalten können. Doch wie wird der Selbstbehalt berechnet, wenn man in einer Haushaltsgemeinschaft lebt – beispielsweise mit einem Elternteil?
Der BGH machte deutlich, dass eine Haushaltsgemeinschaft mit einem Familienmitglied wie einem Elternteil nicht mit einer Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner oder Ehegatten gleichzusetzen ist. Warum?
- Haushaltsgemeinschaft: Eine solche Gemeinschaft bedeutet zwar oft niedrigere Wohnkosten, bringt aber auch Einschränkungen mit sich, z. B. durch begrenzte Privatsphäre und geteilte Räume wie Küche oder Bad. Diese Einschränkungen rechtfertigen keine automatische Reduzierung des Selbstbehalts.
- Lebensgemeinschaft mit einem Partner: Anders verhält es sich, wenn der Unterhaltspflichtige mit einem neuen Partner oder Ehegatten zusammenlebt. In diesem Fall wird angenommen, dass beide Partner finanziell und organisatorisch füreinander einstehen, was den Lebensstandard insgesamt verbessern kann. Das Gericht erlaubt hier eine Senkung des Selbstbehalts, da die Synergieeffekte höher sind.
Im vorliegenden Fall lebte die unterhaltspflichtige Mutter mit ihrer eigenen Mutter zusammen. Der BGH entschied, dass dies keine ausreichenden „Synergieeffekte“ bietet, um eine Kürzung des Selbstbehalts zu rechtfertigen.
Bedeutung für Unterhaltspflichtige
Die Entscheidung zeigt, dass Unterhaltspflichtige Rechte haben, die sie vor übermäßigen Belastungen schützen. Nebentätigkeiten dürfen nicht pauschal verlangt werden, sondern müssen im Einzelfall zumutbar sein. Ebenso ist eine Haushaltsgemeinschaft mit einem Familienmitglied kein Grund, den Selbstbehalt zu kürzen, da sie nicht mit einer Lebensgemeinschaft vergleichbar ist.
Für Unterhaltspflichtige bedeutet dies, dass sie sich bei solchen Fragen rechtlich absichern und beraten lassen sollten. Jede Situation ist individuell, und es ist wichtig, Ihre Rechte und Möglichkeiten genau zu kennen.
Fazit und Einladung zur Beratung
Kindesunterhalt ist ein sensibles Thema, das viele rechtliche und emotionale Fragen aufwirft. Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs schafft wichtige Klarheit für Unterhaltspflichtige – von der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit bis hin zur Berechnung des Selbstbehalts bei Haushaltsgemeinschaften.
Haben Sie Fragen dazu, wie sich diese Entscheidung auf Ihre Unterhaltspflichten auswirken könnte? Vereinbaren Sie jetzt einen Termin zur individuellen Beratung unter 02151/566040. Unsere Kanzlei hilft Ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen und eine passende Lösung für Ihre Situation zu finden.