Das Gericht hat über einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, sondern erst nach Durchführung einer Beweisaufnahme entschieden. Der Antragsteller trug hier bewusst die Unwahrheit vor. Dies kann im VKH-Bewilligungsverfahren berücksichtigt werden und zur Ablehnung des VKH-Antrags führen, obwohl zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife noch Erfolgsaussicht für den Antrag bestanden hatte.
Klaus Menge war mit Roswitha Lohse liiert. Während ihrer nichtehelichen Beziehung wurde Anfang Juni 2010 Tom geboren. Klaus Menge erkannte seine Vaterschaft an. Viereinhalb Jahre später jedoch, im Januar 2015, focht er seine Vaterschaft an und beantragte Verfahrenskostenhilfe. Er habe erst im Dezember 2014 erfahren, dass er nicht Toms Vater sei, sagte er ei einem Besprechungstermin beim Jugendamt. Roswitha Lohse widersprach, er habe schon vor der Geburt des Kindes gewusst, dass er nicht der Vater sei. Sie habe im März und April 2009 zwar noch mit Klaus Menge Geschlechtsverkehr gehabt, bis Dezember 2009 aber nicht mehr. Zwischenzeitlich sei sie von einem anderen Mann schwanger geworden. Obwohl Klaus Menge dies gewusst habe, sei er in die Geburtsurkunde des Kindes als Vater eingetragen worden. Er habe als Toms Vater gelten wollten.
Es kam zur Beweisaufnahme beim Familiengericht. Nach der Vernehmung mehrerer Zeugen stand für das Gericht fest, dass Klaus Menge tatsächlich bereits Ende 2009 wusste, dass nicht er, sondern ein Dritter der leibliche Vater von Tom ist. Die zweijährige Anfechtungsfrist sei damit abgelaufen gewesen, als Klaus Menge seinen Antrag einreichte. Mit demselben Beschluss wies das Gericht auch dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück.
Klaus Menge legte Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Er wies darauf hin, dass das Amtsgericht über seinen VKH-Antrag hätte vorab entscheiden müssen. Das Amtsgericht hatte nach durchgeführter Beweisaufnahme die Ablehnung des Antrags darauf gestützt, dass sein Antrag keine Erfolgsaussicht gehabt habe. Dass Erfolgsaussicht bestanden habe, so Klaus Menge, zeige sich aber schon daran, dass das Amtsgericht Zeugen vernommen habe, bevor es seinen Endbeschluss erlassen habe. Im Übrigen habe das Amtsgericht die Beweisaufnahme fehlerhaft geführt und sei zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, er habe bereits Ende 2009 davon gewusst, dass er nicht Toms Vater ist.
Aber auch das Oberlandesgericht entschied nicht in seinem Sinne. Die Zeugenaussagen seien eindeutig, im Grunde habe die ganze Familie und auch der Freundeskreis darüber Bescheid gewusst, dass Klaus Menge nicht Toms Vater sei. Und er selbst habe zum Beispiel gesagt, dass er immer für das Kind da sein werde, auch wenn er nicht der leibliche Vater sei. Er habe nach außen unbedingt als der Vater gelten wollen.
Eine Vaterschaft kann nur binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Diese Frist war also für Klaus Menge längst abgelaufen, als er seinen Antrag stellte. Und weil seine Angaben bewusst falsch waren, konnte das auch dazu führen, dass die Verfahrenskostenhilfe nach der Beweisaufnahme abgelehnt wurde, obwohl er davor noch Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Denn die Unwahrheit des Prozessvortrags kann auch dazu führen, dass eine bereits bewilligte Prozesskostenhilfe rückwirkend aufgehoben wird. Das wäre bei ihm der Fall gewesen, falls die Verfahrenskostenhilfe ihm vor der Beweisaufnahme bewilligt worden wäre. Und da nicht nur für das Amtsgericht, sondern auch für das Oberlandesgericht feststand, dass Klaus Menge bewusst die Unwahrheit sagte, hat er auf der ganzen Linie verloren. Nun ist zwar offiziell bekannt, dass er nicht der leibliche Vater ist, aber er bleibt der rechtliche Vater, mit allen Rechten und Pflichten.
Az 17 WF 122/15, OLG Stuttgart, Beschluss vom 9.9.2015