Nach dem Sozialgesetzbuch haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Das gilt auch besonders für Kinder, die in einer Pflegefamilie untergebracht sind.
Die Mutter zweier Söhne ist aus psychischen Gründen in ihrer Erziehungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Deshalb sind beide Kinder, der sechsjährige Leon und der anderthalbjährige Jan (Namen frei erfunden), in einer Pflegefamilie untergebracht. Mit dem älteren Sohn hat die die Mutter seit längerem einmal wöchentlich begleiteten Umgang, mit dem jüngeren im 14-tägigen Abstand Umgangskontakte von maximal zwei Stunden.
Sie wollte auch mit dem kleinen Jan einmal in der Woche eine Umgangsregelung haben, immer dienstags von 10 bis 12 Uhr, und stellte einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht.
Das Jugendamt empfahl daraufhin, es wegen des Alters und des Entwicklungsstandes von Jan weiterhin bei dem 14-tägigen Rhythmus zu belassen und begründete dies mit dem Kindeswohl. Nur dann könne das Kind eine vertrauensvolle und unbelastete Beziehung zu den Pflegeeltern aufbauen. Der Verfahrensbeistand des Kindes sah jedoch die Gefahr einer möglichen Entfremdung zwischen der Mutter und dem Kind, deshalb seien unverzüglich wöchentliche Besuchskontakte zu ermöglichen.
Familiengericht schränkte Sorgerecht der Mutter ein
Das Familiengericht entzog der Mutter das Recht zur Regelung des Umgangs mit ihrem Kind und übertrug es auf das Jugendamt als Pfleger. Das Gericht teilte mit, dass es zwar dem Kindeswohl entspreche, der Mutter wöchentliche begleitete Umgangskontakte einzuräumen. Aber da sich weder die Pflegeeltern noch der darauf angesprochene Caritasverband bereit erklärten, den Umgang zu begleiten, müsse der Antrag der Mutter zurückgewiesen werden. Das Familiengericht könne das Jugendamt nicht verpflichten, begleitete wöchentliche Umgangskontakte zu organisieren. Eine solche Verpflichtung könne allenfalls auf dem Verwaltungsrechtsweg geklärt werden.
Das Verwaltungsgericht lehnte einen entsprechenden Antrag der Mutter ab. Es sei nicht erkennbar, dass das Familiengericht sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft habe, den seiner Meinung nach gebotenen wöchentlichen begleiteten Umgang anzuordnen. Außerdem sei es für die weitere Entwicklung des Kindes wichtig, dass es in seiner Pflegefamilie seinen Platz findet, Vertrauen aufbaut und von vermeidbaren Konflikten und hieraus resultierenden Ängsten verschont bleibt. Das Verwaltungsgericht stützte diese Bewertung auf ein psychologisches Gutachten.
Dagegen legte die Mutter Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es für die Weiterentwicklung ihres Kindes unumgänglich sei, in dieser Pflegefamilie einen Platz zu finden, sei so nicht zutreffend. Diese Annahme setze voraus, dass das Kind auf Dauer in der Pflegefamilie bleibe, ohne Rückkehrrecht. Dagegen habe sie sich in psychologische Behandlung begeben, um ihre Krankheit in den Griff zu bekommen. Sie gehe davon aus, dass sie das Kind später wieder in ihrem Haushalt betreuen werde. Maßnahmen, die die Rückkehr eines in der Pflegefamilie untergebrachten Kindes erschwerten, und dazu gehöre auch der Ausschluss und die Beschränkung des Umgangsrechts, unterlägen strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Gerade mit Blick auf die verfassungsrechtlich und menschenrechtlich gewährleistete Rückkehrperspektive kommt der Aufrechterhaltung des elterlichen Umganges mit dem Kind während der Inpflegenahme besonderes Gewicht zu, um eine die Rückkehr vereitelnde oder gefährdende Entfremdung von Mutter und Kind zu vermeiden.
Die Mutter bekam vor dem Oberverwaltungsgericht Recht. Dem Jugendamt wurde aufgegeben, seine Bereitschaft zur Mitwirkung als Umgangsbegleiter an wöchentlichen Kontakten zu erklären.
Umgangsrecht ist verfassungsrechtlich geschützt
Der besondere verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Stellenwert des elterlichen Umgangs muss beachtet werden, auch wenn das Kind, mit dem der Umgang stattfinden soll, in einer Pflegefamilie untergebracht ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es einen der stärksten Eingriffe in das Elternrecht bedeutet, ein Kind in Pflege zu nehmen. Deshalb muss in aller Regel dieser Eingriff als vorübergehende Maßnahme angelegt sein, mit dem vorrangigen Ziel, das Kind zu seinen leiblichen Eltern zurückzuführen.
Az 1 B 283/14, Beschluss vom 4.8.2014