Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen im Zugewinnausgleich
Die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Rahmen des Zugewinnausgleichs stellt sowohl Unternehmer als auch deren Ehepartner vor erhebliche Herausforderungen. Da Unternehmen oft einen wesentlichen Bestandteil des Vermögens darstellen, ist ihre korrekte Bewertung für eine faire Vermögensaufteilung unerlässlich. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, die vom Bundesgerichtshof (BGH) favorisierten Bewertungsmethoden und gibt praktische Hinweise für Betroffene.
Rechtlicher Hintergrund des Zugewinnausgleichs
In Deutschland leben Ehepaare ohne Ehevertrag im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei einer Scheidung wird der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs beider Partner miteinander verglichen. Derjenige Ehepartner, der einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss die Hälfte des Überschusses an den anderen Partner ausgleichen. Hierbei zählen auch Unternehmenswerte zum Vermögen, weshalb deren genaue Bewertung von entscheidender Bedeutung ist.
Herausforderungen bei der Unternehmensbewertung
Die Bewertung von KMU ist komplex, da es keine einheitlichen gesetzlichen Vorgaben für die Bewertungsmethode gibt. Der BGH betont, dass der „volle, wirkliche“ Wert des Unternehmens ermittelt werden muss. Dies bedeutet, dass der objektive Verkehrswert des Unternehmens zum Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags maßgeblich ist. Die Wahl der Bewertungsmethode hängt von der individuellen Situation des Unternehmens ab.
Bewertungsmethoden im Überblick
Ertragswertmethode
Diese Methode fokussiert auf die zukünftigen Erträge des Unternehmens. Durch eine Analyse der vergangenen Erträge wird eine Prognose für die zukünftige Ertragskraft erstellt. Der ermittelte Ertragswert spiegelt somit die Fähigkeit des Unternehmens wider, in Zukunft Gewinne zu erzielen. Diese Methode eignet sich besonders für Unternehmen, deren Wert maßgeblich von ihrer Ertragskraft abhängt.
Substanzwertmethode
Hierbei wird der Wert der materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände des Unternehmens ermittelt. Dies umfasst beispielsweise Maschinen, Immobilien, Patente oder den Kundenstamm. Die Substanzwertmethode ist besonders relevant für Unternehmen mit hohem Anlagevermögen oder wenn das Unternehmen nicht fortgeführt werden soll.
Modifizierte Ertragswertmethode
Speziell für inhabergeführte Unternehmen und freiberufliche Praxen hat der BGH die modifizierte Ertragswertmethode entwickelt. Da der Erfolg solcher Unternehmen stark von der Person des Inhabers abhängt, wird bei dieser Methode ein fiktiver Unternehmerlohn vom Ertrag abgezogen. Dies berücksichtigt, dass ein potenzieller Käufer die Leistungen des bisherigen Inhabers ersetzen müsste, was den Unternehmenswert mindert.
Berücksichtigung des Unternehmerlohns
Der Unternehmerlohn spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewertung von KMU. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften entnehmen die Inhaber ihren Gewinn direkt und erhalten kein festes Gehalt. Für Bewertungszwecke wird jedoch ein fiktiver Lohn angesetzt, der den Wert der persönlichen Arbeitsleistung des Inhabers widerspiegelt. Dieser Betrag wird vom ermittelten Unternehmenswert abgezogen, um den tatsächlichen Wert des Unternehmens unabhängig von der Person des Inhabers zu bestimmen.
Aktuelle Rechtsprechung des BGH
In einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 (Az. XII ZR 108/16) hat der BGH die Bedeutung des Unternehmerlohns bei der Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich hervorgehoben. Das Gericht stellte klar, dass bei der Bewertung von Unternehmensbeteiligungen der volle, wirkliche Wert anzusetzen ist. Bei inhabergeführten Unternehmen ist demnach die modifizierte Ertragswertmethode anzuwenden, bei der ein angemessener Unternehmerlohn berücksichtigt wird. Zudem betonte der BGH, dass auch nicht-leitende Tätigkeiten des Inhabers bei der Bemessung des Unternehmerlohns zu berücksichtigen sind, da diese ebenfalls den Unternehmenswert beeinflussen. citeturn0search4
Praktische Hinweise für Unternehmer und Ehepartner
- Frühzeitige Dokumentation: Eine regelmäßige und transparente Dokumentation der Unternehmenswerte und -entwicklungen erleichtert die Bewertung im Falle einer Scheidung erheblich.
- Ehevertragliche Regelungen: Durch einen Ehevertrag können klare Vereinbarungen über den Umgang mit Unternehmenswerten im Falle einer Scheidung getroffen werden. Dies kann spätere Streitigkeiten vermeiden und bietet Planungssicherheit für beide Partner.
- Externe Gutachten: Die Hinzuziehung eines unabhängigen Sachverständigen zur Unternehmensbewertung kann zu einer objektiven und fairen Bewertung beitragen und dient als Grundlage für Verhandlungen.
- Berücksichtigung steuerlicher Aspekte: Bei der Bewertung sollten auch potenzielle steuerliche Belastungen, wie beispielsweise latente Steuerlasten bei einer fiktiven Veräußerung des Unternehmens, berücksichtigt werden.
- Regelmäßige Unternehmensbewertung: Unabhängig von einer Scheidung kann es sinnvoll sein, regelmäßig den Wert des Unternehmens ermitteln zu lassen, um einen Überblick über die Vermögensentwicklung zu behalten und frühzeitig auf Veränderungen reagieren zu können.
Fazit
Die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen des Zugewinnausgleichs erfordert eine sorgfältige und individuelle Betrachtung. Die Wahl der geeigneten Bewertungsmethode hängt von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens ab. Unternehmer und ihre Ehepartner sollten sich frühzeitig mit diesem Thema auseinandersetzen und gegebenenfalls fachkundige Beratung in Anspruch nehmen, um eine faire und transparente Vermögensaufteilung sicherzustellen.
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